Rezension Arbeitsstrafrecht von Gercke, Kraft, Richter

Der Staatsanwalt schaut auf Ihren Schreibtisch und Sie merken es nicht! Kurze Zeit später haben Sie Schwierigkeiten, Ihren Mandanten zu erreichen, weil der in Untersuchungshaft sitzt.

Es hatte so routiniert angefangen. Ein mittelständisches Unternehmen, ein guter Mandant, ein arbeitsrechtliches Problem, eine Kündigung, das Herabdrücken der Abfindung vor Gericht. Ihr Mandant war zufrieden. Der brütende und paralysierte Gesichtsausdruck der gekündigten Führungskraft war nichts Ungewöhnliches.

Eigentlich.

Aber, wenn Sie die letzten Wochen Revue passieren lassen, dann stimmte etwas nicht in der Angelegenheit. Im Normalfall wird die Abfindung eingestrichen, und beide Seiten leben ihr Leben weiter. Diese Führungskraft war anders.

Der beiläufig erwähnte Satz in den Abfindungsverhandlungen, dass fehlende Compliance im Mittelstand ein Problem ist, ergab im Nachhinein Sinn.

Irgendwer musste ja die Zollbeamten über Missstände bei Ihrem Mandanten aufmerksam gemacht haben. Es  war bemerkenswert, mit welcher Zielstrebigkeit und Effizienz die Beamten die Büros ihres Mandanten leer räumten.

Aber welche Qualität haben anonyme Strafanzeigen und was machen die über 6300 Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit?

Antworten auf diese Fragen sind nachzulesen in:

Arbeitsstrafrecht von Gercke, Kraft, Richter aus dem C. F. Müller Verlag. In 2012 erschienen, bereiten 440 Seiten geballtes Wissen, die Leser auf die Untiefen des Arbeitsstrafrechts vor.

Das Buch verzahnt Arbeitsrecht mit Strafrecht und ist dadurch in der vorliegenden Form ein Novum auf dem Büchermarkt. Der Leser darf sich über ein detailliertes Inhalts- und Stichwortverzeichnis freuen. Der kommentarähnliche Schreibstil wird mit sogenannten Hinweisen und Exkursen zur tatsächlichen Praxis durchbrochen. Diese Passagen sind wichtig für die tägliche Arbeit, da sie es dem Rechtsanwalt erlauben, den Sachverhalt einzuschätzen.

Die Informationskonzentration und der Wissensnutzen sind vorbildhaft. Die Autoren kommen ohne Schnörkel auf die wesentlichen Punkte, die die Rechtsprechung und der Gesetzgeber aufstellen. Fett gedruckte Zwischenüberschriften sorgen für ein schnelles Auffinden der Themenbereiche.

Auch die Vielzahl der behandelten Themen ist von hoher Praxisrelevanz. Der Leser wird zum Beispiel über die Haftung von Unternehmen und Unternehmensverantwortlichen und den prozessualen Besonderheiten informiert. Das zweite Kapitel beschäftigt sich unter anderem mit der Beitragsvorenthaltung nach § 266 StGB, illegaler Ausländerbeschäftigung nach § 404 SGB III, Straftatbestände nach dem SchwarzArbG, der illegalen Arbeitnehmerüberlassung und deren Entsendung, sowie den strafbewehrten Arbeitnehmerdatenschutz. Das dritte Kapitel setzt sich mit den Rechtsfolgen im arbeitsstrafrechtlichen Verfahren auseinander. Das klingt harmlos, kann aber im Extremfall Gefängnis und Existenzvernichtung bedeuten. Es geht um die Themen Berufsverbot, Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage, Bußgeld, Ausschluss des Geschäftsführers und auch negative Berichterstattung in den Medien. Das vierte Kapitel gibt Auskunft über die Vertretung von Arbeitgebern im Arbeits- (Strafverfahren). Die Grundzüge eines Compliancesystems werden skizziert, die Klärung der Mandatsziele und die Kostenfrage.

Das Buch Arbeitsstrafrecht von Gercke, Kraft, Richter ist von diesem Expertenteam für Praktiker geschrieben. Der im Arbeitsrecht mandatierte Anwalt kann nach der Lektüre die strafrechtliche Relevanz einschätzen und entscheiden, ob er auch die strafrechtliche Verteidigung durchführt oder einen Strafrechtler hinzuzieht.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Wegen der Praxisrelevanz ist dieses Werk ein echter Geheimtipp und sollte von jedem Arbeitsrechtler, der Unternehmen berät, gelesen werden. Das Buch wird sicherlich das Flaggschiff im Arbeitsstrafrecht werden.

 

Gercke / Kraft / Richter

Arbeitsstrafrecht

Strafrechtliche Risiken und Risikomanagement

Kommentar
2012. Buch. XLVIII, 440 S. Gebunden
C.F. Müller ISBN 978-3-8114-3469-1