Interview zum Thema Unternehmenssicherheit und "Compliance"

Quelle: Passauer Neue Presse, 9. Juli 2009

 
München-Riem. Sicherheit in Unternehmen und Schutz vor externen, aber auch vor internen Bedrohungen - diese Aspekte gewinnen nicht nur in der Unternehmensführung, sondern auch in der Öffentlichkeit an Bedeutung.

In einem Interview für Heimatwirtschaft nimmt der Münchner Anwalt Christian Koch zu der brisanten Thematik Stellung.

Passauer Neue Presse:
Sehr geehrter Herr Koch, ist die Lage im Wirtschaftsleben wirklich so dramatisch, wie es spektakuläre Fälle in den Medien nahelegen, oder ist das ganze Aufheben um die Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit im Geschäftsgebaren nicht maßlos übertrieben?

Christian Koch:
Die Fälle, über die berichtet wird, sind erschreckend. Ob daraus ein Trend abgeleitet werden kann, daß also die Wirtschaftskriminalität zunimmt, ist fraglich. Zu einem gibt es nur wenige verläßliche Datenquellen und zum anderen ist die Dunkelziffer (Straftaten, die nicht entdeckt werden) nicht bestimmbar. Ein wenig übertrieben mutet die Publikationsflut zu Kriminalität in Unternehmen schon an.

Passauer Neue Presse:
Was kann, oder was sollte ein Unternehmer, aber auch ein Betriebsrat und letztlich jeder Mitarbeiter unternehmen, um illegalem Treiben vorzubauen?

Christian Koch:
Das Ausmaß von Compliance unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Auf jeden Fall sollte die Geschäftsführung ein klares Bekenntnis zu Gesetzes- und Rechtstreue abgeben und dies auch den Führungskräften und Mitarbeitern kommunizieren. Es ist wichtig die Mitarbeiter zu überzeugen und zu sensibilisieren, indem man Nachteile und Beispiele von Wirtschaftskriminalität aufzeigt. Dies kann durch Schulungen und Vorträge geschehen. Eine weitere Maßnahme ist die Transparenz von Geschäftsprozessen und Zuteilung von klaren Verantwortlichkeiten. Hinzukommen sollten unregelmäßige Kontrollen, zum Beispiel durch interne Revision.

Passauer Neue Presse:
Und was müssen Unternehmer, Betriebsrat oder Mitarbeiter unternehmen, wenn sie im Unternehmen, entweder in den Innen- oder Außenbeziehungen Illegales vermuten oder beobachten?

Christian Koch:
Das hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist die tatsächliche und rechtliche Klärung des Sachverhaltes. Ein paar Fragen zum besseren Verständnis können folgende sein: Welche Personen oder auch Einrichtungen haben sich auf welche Weise illegal betätigt? Welche Beweismittel kommen dafür in Frage und wer hat von dem illegalen Verhalten profitiert? Seit wann existieren diese Machenschaften?
Zudem kann in Einzelfällen die Einschaltung von externen Beratern oder Rechtsanwälten sinnvoll sein.

Passauer Neue Presse:
Konstruieren wir einen Fall: Die Unternehmensleitung, oder auch nachgeschaltete Management-Ebenen arbeiten mit Bestechung. Recht erfolgreich vielleicht, und das in Auslandsmärkten, in denen der Deutsche ohnehin Bestechung als alltägliche Gepflogenheit Vermutet. Halten Sie es für realistisch, dass eine Mitarbeiter, der gerne weiter im Unternehmen bleiben will, hier eine übergeordnete Hierarchie-Ebene verpfeift?

Christian Koch:
Grundsätzlich kommt es auf die Unternehmenskultur an. Es gibt Fälle, in denen Mitarbeiter das Hinweisgebersystem dazu nutzten, die Vorgesetzten zu beschuldigen um selber deren Posten einzunehmen. Dann gibt es Mitarbeiter, die auf Missstände aufmerksam machen möchten, von ihren Vorgesetzten deswegen ignoriert und dann gemobbt werden. Hier könnte ein Hinweisgebersystem schnell und effizient Abhilfe schaffen.

Passauer Neue Presse:

Das Thema Compliance, früher hätte man vielleicht die Einhaltung von Kaufmannsehre und anständiger Geschäftsgepflogenheiten gesagt, hat inzwischen auch unter dem Motto „Pfeifen verpfeifen“ Karriere gemacht. Das bezieht sich wohl auf die Meldung von Kollegen, die im Unternehmen krumme Dinge drehen? Besteht hier juristischer Handlungsbedarf?

Christian Koch:
Ich empfehle eine gesetzliche Regelung des Whistle-blowing aus Gründen der Transparenz und Rechtssicherheit. Alle Beteiligten, wie Hinweisgeber, Unternehmen, Mitarbeiter und Betriebsrat haben dann eine gesetzliche Grundlage, mit der sie arbeiten können. Da eine gesetzliche Normierung zu Whistle-blowing derzeit noch nicht existiert, ist eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zu schließen.

Passauer Neue Presse:

Bei strafbaren Handlungen innerhalb von Unternehmen scheint es immer noch eine sehr hohe Dunkelziffer zu geben, denn viele Unternehmen wickeln Probleme meist intern ab und verzichten auf die Einschaltung der Polizei, um nicht zum materiellen Schaden auch noch einen Rufschaden hinzuzufügen. Das ist eine Aussage der Polizei auf einer Sicherheitsmesse der vergangenen Jahre. Gilt dieser Trend noch?

Christian Koch:
Die Aussage kann ich bestätigen. Die Angst vor einem Rufschaden ist bei den Unternehmen sehr groß. Die Firmen befürchten massive Nachteile im Geschäftsleben, mit der Konsequenz dass Umsatz und Gewinn zurück gehen. Zu denken ist daran, dass qualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und sich auch Dienstleister und Zulieferer von dem kriminalitätsbelasteten Unternehmen abwenden. Ich hoffe, dass sich dieser Trend in Zukunft ändern wird. Denn mit Einschaltung der Polizei wird ein klares Zeichen gesetzt, dass es ein Unternehmen ernst meint, mit der Bekämpfung von Kriminalität und nichts davon unter den Teppich kehren möchte. Natürlich erfordert ein solches Vorgehen auch, daß Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und Dienstleister das auch honorieren und weiterhin Geschäfte mit der belasteten Firma betreiben. Ich weiß, dass das sehr schwer ist, schon aus Gründen des Selbstschutzes. Und deswegen wird noch sehr viel Zeit vergehen, bis sich dieser Trend in Deutschland ändert.

Das Interview für Heimatwirtschaft führte Ernst Deubelli

München, den 21. Juli 2009