Praxisbericht Oechsler AG: Compliance in China aus UnternehmenssichtOechsler

Complianceforum.de im Gespräch mit Frau Beate Diao, Assistentin des Vorstandes, OECHSLER AG

Complianceforum.de:
1) Sehr geehrte Frau Diao, was sollten deutsche Firmen in China aus Compliancesicht beachten?

Beate Diao:
Die Auffassung von Recht ist in China eine Andere als in Europa, was an der geschichtlichen und politischen Entwicklung des Landes liegt. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit der Thematik Raubkopie. In der konfuzianischen Gesellschaft muss ein Schüler seinen Meister erst perfekt kopieren können, bevor er eigene Ideen entwickeln darf. Das  Gleiche passiert vielen ausländischen Unternehmen: Sie werden als Meister betrachtet und daher in China zunächst  kopiert, bis die chinesischen Unternehmen gut genug sind, eigene Produkte zu entwickeln. Ein Unrechtsbewusstsein für solch eine Handlungsweise gab es lange Zeit nicht, was sich derzeit aber gerade ändert.
Erschwerend kommt hinzu, dass in China nicht wie in Deutschland die Herrschaft des Rechts sondern die Herrschaft mithilfe des Rechts gilt. Zwar hat hier mit Beginn der Reformära unter Deng Xiaoping ein Wandel eingesetzt und mittlerweile entwickelt sich mit Unterstützung der westlichen Industriestaaten ein neues Rechtswesen, doch wird es seine Zeit brauchen, bis dieses ausgereift ist und sich die Einstellung der Menschen zum Recht geändert hat.

Complianceforum.de:
2) Welche Punkte sind bei der Führung chinesischer Mitarbeiter in China zu beachten?

Beate Diao:
Die Bereitschaft, seinen Arbeitsplatz für ein anderes Angebot aufzugeben, ist in China viel höher als in Deutschland. Oft reicht ein nur minimal höheres Gehalt aus, um einen Mitarbeiter zum Wechsel zu bewegen, und leider greifen Unternehmen angesichts des Mangels an qualifizierten Bewerbern häufig zu diesem Mittel. Darum ist es umso wichtiger, zusätzliche Anreize wie beispielsweise Weiterbildungen anzubieten. Auch der Besuch der deutschen Muttergesellschaft kann motivationsfördernd sein und die Bindung zwischen Mitarbeiter und Firma stärken.
Zudem ist es wichtig, die deutschen Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, dass Chinesen eine andere Arbeitsweise gewohnt sind als wir. Dies hängt stark mit den unterschiedlichen Lehrmethoden der beiden Länder zusammen: Während in deutschen Schulen viel Wert auf Kreativität und eigenständiges Denken gelegt wird, sind chinesische Schüler und auch Studenten einem Frontalunterricht  ausgesetzt, bei dem es vorrangig darum geht, das vom Lehrer Vorgetragene wiederzugeben. Genauso verhalten sie sich dann auch im Arbeitsleben und stoßen damit bei deutschen Kollegen oft auf Unverständnis. Hier ist von der deutschen Seite Geduld gefordert, denn wer wie die Chinesen seit der Schulzeit eine strikte hierarchische Ordnung gewohnt ist, braucht seine Zeit, sich an unsere westliche Vorgehensweise zu gewöhnen.

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3) Wie leben Sie in Ihrer Firma „guanxi“? Könnten Sie bitte ein Beispiel erläutern?

Beate Diao:

Wie der Begriff „guanxi“ (in Beziehung stehen, verbunden sein) schon sagt, geht es hierbei um die sozialen Kontakte, ohne die in China nichts geht. Nach chinesischem Verständnis bewegt sich jedes Mitglied der Gesellschaft innerhalb eines eigenen Netzwerks und kann nur über eine Kontaktperson aus dem eigenen Kreis eine Verbindung zu einer Person eines fremden Netzwerks herstellen. Dieses Modell gilt nicht nur für das Private sondern auch für das Geschäftliche. Möchte ich also Kontakt zu einer chinesischen Firma aufnehmen, suche ich zunächst in meinem Netzwerk nach einer Person, die bereits eine Verbindung zu jemandem in dem Unternehmen hat. Ohne ein solches Bindeglied wird es sehr schwer, eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Daher ist die Kontaktpflege in China von enormer Bedeutung und wird intensiv gepflegt. Die einfachste und unverfänglichste Form ist dabei die Essenseinladung. Auch kleine Gefälligkeiten wie zum Beispiel das Übersenden eines Obstkorbs bei Krankheit oder einem Jubiläum sind gern gesehen, wobei hier Vorsicht geboten ist, die Grenze zwischen Geschenk und Bestechung nicht zu überschreiten. Wichtig ist auch zu beachten, dass sich die gegenseitigen Gefälligkeiten die Waage halten, dass ich also auch immer etwas zurückgebe. Ansonsten laufe ich Gefahr, dem Partner irgendwann einen sehr großen Gefallen schuldig zu sein.

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4) In Deutschland werden Delikte wie Bestechung und Korruption zunehmend intensiver verfolgt. Gibt es einen vergleichbaren Trend in China?

Beate Diao:
Die Korruptionsbekämpfung stand auch bei der diesjährigen Versammlung des Nationalen Volkskongress wieder im Mittelpunkt und es werden immer neue Maßnahmen ins Leben gerufen, um gegen Bestechung vorzugehen. So werden korrupte Beamte verstärkt zur Rechenschaft gezogen und bestraft. Die Renmin Universität will künftig einen neuen Abschluss als Anti-Korruptionsermittler anbieten. Auch wenn Bestehung weit verbreitet ist, wird sie von der breiten Masse der Chinesen abgelehnt und verurteilt. Besonders die ländliche Bevölkerung macht ihrem Missmut über bestechliche Kader und die Korruptionspraktiken einiger Unternehmer immer häufiger durch Proteste und Demonstrationen Luft, was vor ein paar Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. Dies setzt die Regierung natürlich zusätzlich unter Druck.
 
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5) Ein Thema ist auch die Sicherheit und der Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen in China. Wenn eine gute Beziehung („guanxi“) und Vertrauen zwischen Chinesen und Deutschen besteht, sind dann überhaupt hohe Schutzmaßnahmen, wie z. B. Videoüberwachung überhaupt noch notwendig?

Beate Diao:
Auch für China gilt der berühmte Ausspruch Lenins: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ein vertrauensvolles Verhältnis minimiert zwar die Risiken, schützt jedoch nicht davor.

Das Gespräch führte Christian Koch.

München, den 7. Juli 2010